Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
das letzte Anschreiben der KVN im Auftrage der AOK Niedersachsen zur Überprüfung der Chroniker-Ziffern – mit bizarr kurzer Antwortfrist – zeigt einmal mehr die Absurdität unseres Honorarsystems.
In Deutschland werden chronische Erkrankungen durch Arzt-Patient-Kontakte mit egal welcher, Hauptsache gleicher, Diagnose definiert. Diese Definition berücksichtigt nur sehr mittelbar den Aufwand für die Führung und Behandlung von Patienten mit chronischen Erkrankungen.
Die Kassen haben sich in der Legendierung der EBM-Ziffern 03220 und 03221 mit einer völlig realitätsfernen, an bürokratischem Aufwand nicht mehr zu überbietenden Konstruktion durchgesetzt, die jeder medizinischen Sichtweise von Chronizität einer Krankheit Hohn spricht.
Die Vorschriften für das Anschreiben dieser Ziffern hat nichts mit dem realen Versorgungsgeschehen chronisch kranker Patienten zu tun. Ihre Einhaltung ist ganz offensichtlich so gut wie gar nicht erfüllbar, was dadurch belegt wird, dass fast jede hausärztliche Praxis in Niedersachsen betroffen ist. (Zusätzlich zu den 2500 von Rückforderungen der Kassen betroffenen Praxen kommen ja noch weitere Praxen dazu, die unter der Bagatellgrenze von 50,-€ pro Quartal liegen.)
Auch chronisch kranke Patienten, die mit einer N3-Packung vom Ende eines Quartals bis zum Anfang des übernächsten Quartales auskommen, fallen hier durch das Raster.
Als i-Tüpfelchen dieses Theaters sei noch erwähnt, dass die Chroniker-Ziffern aus der MGV (morbiditätsbedingte Gesamtvergütung) gezahlt werden und etwaige Rückzahlungen betroffener Kolleginnen und Kollegen im Honorartopf der Hausärzte verbleiben und nicht etwa an die Kasse zurückfließen. Wenn andere Kassen nachziehen, was wir erwarten, wird sich das Verhältnis der MGV-Zahlungen der Kassen untereinander nicht ändern. Das Ganze ist also letztlich ein Nullsummenspiel. Leidtragende sind ausschließlich die (Haus-) Ärztinnen und Ärzte. Und das von Seiten der AOK für einen kurzfristigen finanziellen Vorteil gegenüber den anderen Kassen ohne Rücksicht auf jeglichen Flurschaden, der hier angerichtet wird.
Solche Aktionen gefährden alle auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit der Ärzte mit den Kassen und konterkarieren Bemühungen, hausärztlichen Nachwuchs zu generieren.
Die ägnw weiß, dass die KVN zwar nur Überbringer der schlechten Botschaft ist, aber sie erwartet von der KVN, dass sie keine Anstrengung unterlässt, auf politischem Weg einen Ausweg zu suchen mittels Spitzengesprächen unter den Vorständen, mittels Propagierung einer neuen Legendierung der EBM-Ziffern im Bewertungsausschuss, mittels Absprache gemeinsamer Aktionen mit anderen Regional-KVen unter Hinzuziehung auch der Aufsichtsbehörden im Land und Bund
Wir in der Ärztegenossenschaft verlieren nicht den Blick für das Große Ganze und bündeln im Gesundheitssystem, auch in Zusammenarbeit mit der KV, aber auch außerhalb des festgefahrenen Systems der Körperschaften, die Interessen der Ärzte in eigener Praxis. Dazu suchen wir den Schulterschluss mit allen, um politisch gegen das Verhalten der Kassen vorzugehen.
Mit kollegialen Grüßen
Ihre ägnw eG