„Offenbar geht das BMG vor dem Hintergrund der internen Querelen der KBV in Berlin davon aus, dass die kassenärztlichen Vereinigungen jegliche Fähigkeit zu zukunftsweisender Sacharbeit verloren haben. Nicht anders ist es zu erklären, dass Bundesregierung und BMG mit der kurzfristigen Einarbeitung des Eckpunktepapiers zur Änderung der Notfallversorgung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 02.10.2015 in das Krankenhausstrukturgesetz auf der Zielgeraden der Gesetzgebung Fakten schaffen, die von grundlegender Bedeutung für die niedergelassene Vertragsärzteschaft sind, ohne deren gesetzlich legitimierten Organe in irgendeiner Weise am Entscheidungsprozess zu beteiligen.
Mit den Eckpunkten zur Notfallversorgung offenbart sich erneut ein Staatsdirigismus, der die Krankenhäuser in der ambulanten Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zu eindeutigen Lasten der niedergelassenen Ärzte grundsätzlich bevorzugt. Wir stellen ausdrücklich fest, dass, sollten die Eckpunkte so umgesetzt werden, der Gesetzgeber damit allerdings auch die gesetzlich vorgesehene Übertragung des Sicherstellungsauftrages auf die ärztliche Selbstverwaltung in Frage stellt.
Wir als gewählte Mandatsträger der vertragsärztlichen Selbstverwaltung in Niedersachsen müssen uns unmissverständlich gegen diese Planungen stellen. Falls diese Eckpunkte zur Notfallversorgung Gesetzeskraft erlangen, ist gerade vor den absehbaren Belastungen des Gesundheitssystems nicht nur durch den demographischen Wandel, sondern auch durch die Flüchtlingsfrage (man plant ja, die Gesundheitskarte auch an sämtliche Zuwanderer auszugeben), die Sicherstellung zumindest für den Bereich des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes außerhalb der Sprechstundenzeiten nicht mehr zu leisten. Die kassenärztlichen Vereinigungen wären angesichts übertriebener Regelungswut und zunehmend erstickender gesetzlicher Vorgaben gezwungen, ihre Position in der Frage des Sicherstellungsauftrages grundsätzlich zu überdenken.
Der Gesetzgeber in Deutschland weigert sich einerseits, Elemente der Patientensteuerung in das Gesundheitssystem der Bundesrepublik zu implementieren, andererseits werden jedoch die daraus resultierenden Belastungen in Struktur und Finanzierung ausschließlich den Vertragsärzten auferlegt. Flankiert wird diese für die kassenärztlichen Vereinigungen zunehmend unerträgliche Entwicklung durch eine spürbare Einengung der bisherigen Gestaltungsspielräume der ärztlichen Selbstverwaltung. In dieser Situation gilt es für die Ärzteschaft, Handlungsfähigkeit und Deutungshoheit zurück zu gewinnen. Die derzeitige Situation in der KBV in Berlin darf nicht den langfristigen Blick für die Frage verstellen, ob sich die kassenärztlichen Vereinigungen im Gesundheitssystem als gestaltende Elemente behaupten wollen oder sich ohne weitere Gegenwehr auf die Stufe einer staatlichen Gesundheitsdirigismus umsetzenden Behörde herabstufen lassen wollen. Perspektivisch gesehen droht konkret die Frage, ob die kassenärztlichen Vereinigungen in der jetzigen Form noch gebraucht und gewünscht sind. Entsprechende Äußerungen führender Gesundheitspolitiker der Großen Koalition, Prof. Lauterbach, wurden ja bereits gehört.
Wir sind der Ansicht, dass angesichts der aktuellen Entwicklung Fragen in der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung anstehen, die entsprechend kurzfristig im Rahmen einer außerordentlichen Sonder-Sitzung der Vertreterversammlung seitens der gewählten ärztlichen und psychotherapeutischen Mandatsträger zu diskutieren sind.
Die Fraktionsgemeinschaft „KVNeu-gestalten“ fordert die Landtags- und Bundestagsabgeordneten des Flächenstaates Niedersachsen auf, das langjährigen Bemühen der ärztlichen Selbstverwaltungsorgane in Niedersachsen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung anzuerkennen und Sorge dafür zu tragen, das dieses Bemühen seitens der Bundesregierung nicht weiter konterkariert wird.“
Dr. Henning Franz, Vorsitzender der Fraktion KVneugestalten